Wir leben in spannenden Zeiten

Über die letzten Jahre bin ich immer wieder auf den Gedanken gekommen, dass Wissenschaft heutzutage für den Laien irgendwie langweilig geworden ist. Ich meine damit nicht, dass Wissenschaft unnötig sei oder nichts mehr bringen würde – ganz im Gegenteil – aber sie findet fast nur noch „im Verborgenen“ statt und auch als interessierter Laie bekommt man eigentlich nur was von den Ergebnissen mit, die einem fertig präsentiert werden. Oder aber sie ist super-kompliziert und findet mit Methoden und Werkzeugen statt, die man nur verstehen kann, wenn man wirklich Experte auf dem Gebiet ist.

Denkt da zum Beispiel mal an den Impfstoff gegen Corona. Viele Forscher sind da auf der Suche und haben auch erfolgreich Impfstoffe gefunden. Aber alles, was man davon mitbekommt, sind irgendwelche Artikel im Internet, die beschreiben, dass der Impfstoff jetzt in irgendeine Studie geht oder die Studie Erfolg hatte oder der Impfstoff jetzt fertig ist.

Früher hat man „große Sachen“ erforscht und erfunden. Strom. Fliegen. Strahlung. Mondlandung. Während man sich heute mit so Kleinkram beschäftigt wie „Flugezuge sind jetzt 3% effizienter“ oder „welche Metalle können wir zusammenmischen, um einen Supraleiter zu erhalten, den wir weniger stark kühlen müssen“. Mehr Verbesserung als Grundlagen.

Aber ich muss da wohl einsehen, dass ich mich da vermutlich täusche. Er wird wohl eher so sein, dass ich nur in die falsche Richtung schaue bzw. einfach nicht genug ins Detail gehe. „Meine“ Gebiete sind halt IT, Physik, Raumfahrt.

Aber in die Richtung wollte ich eigentlich gar nicht. Eigentlich wollte ich auf einen Bereich hinweisen, in dem gerade ziemlich große Neuerungen stattfinden, die man auch gut sehen bzw. zumindest beobachten kann und die zudem auch noch Interessant sind.

Im Bereich der Raumfahrt tut sich derzeit nämlich so einiges. In meiner Kindheit war das irgendwie so ein Routine-Ding: Space Shuttles sind gestartet und wieder gelandet oder irgendeine Rakete hat einen Satelliten gestartet. Vielleicht war die Rakete mal ein neues Modell, aber auch dann war sie lang, weiß und ist nach oben geflogen. Manchmal gab es sogar Videos zu sehen. Dann oft mit Animationen, die zeigen, was die Rakete gerade machen sollte. (Das war schön beim Start von Sojus MS-10 zu sehen: Während man den übersetzen Funkverkehr hören konnte, in dem die Astronauten davon berichteten, dass das Rettungssystem die Kapsel von der Rakete weggeschossen hat und sie jetzt im freien Fall zurück zur Erde sind, hat die Animation auf dem Bildschirm gezeigt, wie sehr doch gerade alles nach Plan verläuft…) Raumfahrt war irgendwie wie so ein Traditionsverein, der sein Vorgehen mit dem Satz „das haben wir schon immer so gemacht“ begründete.

Aber in den letzten Jahren tat sich dann so einiges: Junge, neue Spieler sind in das Geschäft eingestiegen. Und probieren einfach mal neue Sachen aus. An vorderster Front muss man dabei sicherlich SpaceX nennen. Ja, Elon Musk muss man natürlich etwas vorsichtig sehen. Einige seiner Ansichten sind sicherlich – meiner Meinung nach – bedenklich bis falsch. Aber sicher kann man behaupten: Er traut sich was.

Jahrelang waren Raketen Einwegprodukte. Hochschießen, Satellit aussetzen, Rakete verglühen lassen. Standard halt. Bis SpaceX kam und probiert hat, mit der Falcon 9 zumindest die erste Stufe der Rakete wieder landen zu lassen. Es gab einige Fehlschläge, aber daraus konnte man seine Lehren ziehen und die Techniken verbessern. Wer sich dafür interessierte, konnte zusehen: Es gab Live-Streams auf Youtube. Gute Live-Streams. Mit mehreren Kameras vom Boden und an der Rakete. Mit informativen Einblendung, die die echten Daten anzeigten. Mit Moderatoren, die Ahnung von dem haben, was sie zu erklären versuchen. Und irgendwann gelang es dann sogar: Die erste erfolgreiche Landung einer Rakete nach einem Transport in einen Orbit. Ein Meilenstein, den ich live miterlebt habe. (Das war fast genau vor 5 Jahren. Ich war bis 2:30 Uhr nachts wachgeblieben, um das zu sehen…)

Dann die Falcon Heavy: Quasi drei Falcon 9-Raketen zusammengebaut, um mehr Last transportieren zu können. Mit dann drei Raketen, die alle drei wieder landen sollen (zwei davon sogar quasi gleichzeitig). Der Demo-Flug, bei dem ein roter Tesla Roadster als Nutzlast in eine Umlaufbahn um Mars und Erde geschickt wurde. Ich habe den Start live gesehen.

Der erste Start einer Falcon 9 mit Menschen an Bord. Das war dieses Jahr. Ich habe es live gesehen.

Aktuell finden experimentelle Flüge des Starships statt. Eine Rakete, die aussieht, wie Raketen normalerweise in Comics aussehen. Aus Edelstahl zusammengebaut, statt aus Kohlefaser. Und mit Flügeln. Es gab schon Flüge, die in eine Höhe von 150 Metern gingen und dann wieder landeten. Der gestrige Flug war spektakulärer: Starship flog auf eine Höhe von 12,5 km, schaltete da die Triebwerke ab, ging in Bauchlage und flog so Richtung Landezone, um sich da dann wieder aufzurichten und die Triebwerke wieder zu zünden, um dann am Ende aufrecht zu landen. Ein sehr optimistisches Testprogramm mit vielen Neuerungen. Der Flug war größtenteils ein Erfolg. Quasi alles funktionierte wie geplant, bis dann bei der Landung weniger Treibstoff als geplant an den Triebwerken ankam. Das war einer sanften Landung dann leider nicht sehr zuträglich, und der Flug vom Starship endete in einer Explosion. Dennoch hatte der Flug genügend Erfolge, um auch als Meilenstein gelten zu dürfen. Ich war live dabei.

Und SpaceX ist nicht der einzige „junge Spieler“ auf diesem Gebiet. Da wäre noch Jeff Bezos‘ Firma Blue Origin. Die haben eine Rakete gebaut, die Weltraumtouristen „mal eben“ in den Weltraum (also mindestens 100 km hoch) und dann direkt wieder zurückbringen soll. Auch hier kann man bei den Tests zuschauen. Virgin Galactic von Richard Branson, die Raketen mit Weltraumtouristen von Flugzeugen aus starten wollen.

Ja, das ist ein Gebiet, in das ich mich reingenerdet habe. Keine Ahnung, ob das bei anderen Gebieten vielleicht auch so ist: Dass ich mich da einfach nur reinnerden müsste, um da mehr spannende Erfolge miterleben zu können.

Aber eines ist sicher: Meine Annahme von oben, dass aktuelle Forschung immer nur langweilig ist, ist ziemlich sicher falsch. Ganz im Gegenteil: Wir leben in wirklich spannenden Zeiten.

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